Treffen sich Welten Wie wir klimafreundlicher leben
Ein Gespräch mit dem Ingenieur und Mobilitätspionier Achim Kampker und dem Arzt, Wissenschaftsjournalisten und Gründer der Stiftung „Gesunde Erde – Gesunde Menschen“ Eckart von Hirschhausen
Herr von Hirschhausen, Herr Kampker, wenn Sie ein Kind fragt, ob wir die Klimakrise in den Griff bekommen. Was antworten Sie?
Hirschhausen: Schwierige Frage. Ich war vor knapp drei Jahren Mitgründer der „Scientists for Future“. Warum? Die Kinder und Jugendlichen von „Fridays for Future“ wurden damals stark angegriffen. Da hieß es vielfach, die hätten doch keine Ahnung und sollten das Denken den Profis überlassen. Als dann einzelne Politiker die Kinder und Jugendlichen angriffen, haben 28.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterschrieben und gesagt: Das Anliegen der Jugendlichen ist völlig berechtigt! Wir sind gerade wirklich auf einem extrem gefährlichen Kurs. Und das Schlüsselwort heißt Irreversibilität, also das Nicht-Umkehrbare dieser Entwicklung. Und genau das ist für uns schwer zu begreifen. Denn die Dimension, mit der wir Menschen diese Erde kaputt machen, entzieht sich erst mal unseren Sinnen. Wir haben keine Antenne dafür.
Haben Sie ein konkretes Beispiel dafür, was das bedeutet?
Hirschhausen: Wenn wir in den Himmel schauen, dann haben wir das Gefühl, er ist unendlich. Und dann denken wir unbewusst: Worüber regen sich denn diese Öko-Spinner so auf? Wir können da doch noch eine Menge Dreck hochpusten, das wird sich verdünnen. Ich habe darüber mit dem Astronauten Alexander Gerst gesprochen, der mir erzählt hat, dass er als junger Mann dachte, das Tollste am Flug in den Weltraum muss es sein, neue Dinge zu entdecken. Heute sagt er, das Tollste, was man dort sehen kann, ist die Erde. Der Blick zurück war eigentlich schon der Aha-Moment bei der Mondmission im Jahr 1969. Der Blick zurück, der uns gezeigt hat: Wir haben hier auf diesem „Raumschiff Erde“ eine Atmosphäre, die einzigartig ist. Vom Weltall aus betrachtet ist sie so dünn wie die Haut eines Apfels. Und wenn einem klar wird, die Atmosphäre ist ein hauchdünner Schleier, der zwischen Leben und Tod entscheidet, dann wird auch deutlich: Wenn wir sie weiter als Müllhalde missbrauchen, fällt uns das Kohlendioxid irgendwann auf die Füße.
Kampker: Meine Tochter ist jetzt sieben Jahre alt. Und sie fragt regelmäßig, wie wir das mit der Klimakrise in den Griff kriegen. Offen gesagt: Ich weiß es nicht. Ob wir das schaffen oder nicht, hängt von unglaublich vielen Faktoren ab. Ob wir es beispielsweise akzeptieren, dass wir wie ein Schwarm auch viele kleine Schritte gehen, oder ob wir darauf hoffen, dass es den einen großen Wurf geben wird. In Deutschland zählen oft nur die großen Dinge, die kleinen sind irgendwie unwichtig. Wir sagen zwar alle, wir finden den Mittelstand gut. Aber wenn es darum geht, Probleme zu lösen, rennen wir zu den großen Konzernen. Dabei sehen wir ja: Woran fehlt es jetzt bei der Energiewende? An Handwerkern, die die Solarmodule auf die Dächer bringen. Also, der Einzelne macht einen Unterschied. Das heißt für mich: Wir brauchen viele Gesichter und viele emotionale Geschichten, die aufzeigen, wie es gelingen kann. So entsteht ein Schwarm, der Menschen mitnimmt. Ob wir damit schnell genug sind, das weiß ich nicht. Aber wir müssen es versuchen und alles tun, was jetzt in unserer Macht steht. Auch ein Sachbearbeiter irgendwo in einer Stadtverwaltung kann den Unterschied machen, wenn er etwas Wichtiges in seinem Verantwortungsbereich genehmigt, statt nichts zu machen, aus Angst, Ärger zu kriegen. Auch das erlebe ich fast täglich, dass es eben die Einzelentscheidungen auf den verschiedensten Ebenen sind, die darüber entscheiden, ob wir positive Veränderungen hinbekommen oder nicht.
Im Laufe unseres Lebens hat jeder von uns einen beachtlichen CO2-Rucksack angehäuft. Müssen wir uns dafür schuldig fühlen?
Hirschhausen: Schuld ist kein gutes Konzept. Meistens führt schlechtes Gewissen nicht dazu, dass man sein Verhalten ändert, sondern man wendet nur mehr Energie auf, es zu verheimlichen. Ich habe in meinem Buch „Mensch, Erde! Wir könnten es so schön haben“ einen Mengenvergleich gemacht – über die aufgeklärten Verschmutzer. Das sind nämlich die Leute, die am meisten über Umweltthemen reden, die aber der Umwelt am meisten Ressourcen abverlangen. Warum? Weil sie sehr oft gebildet sind, weil sie mehr Geld haben, weil sie größere Autos fahren, weil sie mehr Wohnfläche haben, die sie beheizen müssen. Und gleichzeitig schauen sie dann herab auf Menschen, die in einem Hochhaus wohnen und Billigfleisch kaufen, obwohl die unterm Strich einen viel kleineren CO2-Abdruck haben. Das ist die Absurdität, in der wir uns bewegen. Ich würde daher statt von Schuld eher von Verantwortung sprechen. Und ein wichtiger Schritt, anders mit dieser Verantwortung umzugehen, ist es, ganz konkret zu zeigen, wie groß der CO2-Abdruck von Lebensmitteln ist. Was hat mich diese Flugmango, auch wenn da Bio draufsteht, an Ökolast gekostet? Was ist mit Rindfleisch? In meinem Bühnenprogramm rechne ich durch, was die weltweite Fleischüberproduktion mit uns macht, und sage: Hört auf mit Moral und mit Schuld, macht es praktisch. Wie wäre es denn, wenn wir für jedes Kilo Fleisch an der Supermarktkasse einen 20-Liter-Eimer Gülle mit ausgehändigt bekämen? Und dann sagt der Kassierer: Das haben Sie mit verursacht. Wussten Sie nicht? Doch, jetzt wissen Sie es. Die Böden können wirklich nichts mehr aufnehmen davon, wir haben sie überdüngt, der ganze Mist landet im Wasser und zerstört die biologische Vielfalt. Also, schauen Sie mal zu Hause im Keller oder vielleicht im Schlafzimmer, wo Sie diesen Eimer lassen können. Sie müssen das selber entsorgen. Brauchen Sie einen Deckel, oder geht das so mit? Viel Spaß beim Grillen!
Kampker: Da bin ich voll dabei. Auf der einen Seite muss jeder für sich selbst entscheiden: Wie kann ich mein Leben ändern, also weniger Fleisch essen. Auf der anderen Seite sollten wir durchaus auch Wirtschaftskreisläufe nutzen. Es gibt zum Beispiel die Soldatenfliege und die Larve der Soldatenfliege, die frisst Gülle. Und aus dieser Larve kann man Schmierstoffe machen für bestimmte Anwendungen, die sonst erdölbasiert sind. Das heißt, wir züchten im Rahmen eines Projektes diese Soldatenfliege, die aus Mist Geld macht, also Gülle frisst.
Hirschhausen: Die Soldatenfliege … [lacht]
Kampker: Das ist ein ganz harmloses Tier. Die Soldatenfliege hat auch nichts mit Krieg zu tun. Aber sie frisst Gülle, und man kann aus ihr einen Schmierstoff machen, den wir industriell nutzen können. Bitte jetzt nicht falsch verstehen: Das heißt nicht, produziert so viel Gülle, wie ihr wollt. Aber selbst wenn wir die Gülle schrittweise reduzieren, haben wir ja trotzdem noch weiter Gülle. Die nächsten 10 bis 15 Jahre werden wir weiter Gülle haben. Ziemlich viel sogar. Also kümmere ich mich darum, was wir mit dieser Gülle machen können, und kippe sie nicht mehr auf die Felder.
Hirschhausen: Das kann ich voll und ganz unterstützen. Ich habe mich vor den Themen Klimakrise, Gesundheitskrise und Artensterben lange mit Hirnforschung und positiver Psychologie beschäftigt. Dabei bin ich auf Daniel Gilbert von der Harvard University gestoßen, der beschreibt: Wir sind mehr oder minder unfähig, uns in Gedanken in die Zukunft zu versetzen und zu antizipieren, wie wir uns dann fühlen werden. Warum? Weil wir immer den Verlust überbetonen. Das heißt, dass wir Dinge, die uns weggenommen werden, erst mal massiv überbewerten. Wir verteidigen den Status quo, weil wir nicht genug Fantasie entwickeln können, dass es uns mit einer anderen Stadt, mit anderer Energieerzeugung, mit anderer Mobilität und einer anderen Ernährung viel, viel besser gehen würde.
Kampker: Ich glaube, dass es Anreize braucht, damit wir Menschen uns verändern. So ticken Menschen eben. Wenn ich im Supermarkt die richtige Kaufentscheidung treffe, das Produkt auswähle, das weniger CO2 verbraucht hat, sollte ich Bonuspunkte bekommen. Und wenn ich mir diese CO2-Ersparnis in ein Zertifikat umschreibe, könnte ich mir das tatsächlich in Cent und Euro umrechnen lassen. Ich glaube, wenn wir Menschen uns solche Brücken bauen, haben wir eine Chance, das zu schaffen.
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