Die Bienen dieser neusee­­ländischen Imker fliegen vor allem die weiß blühenden ­Manuka-­­Pflanzen (Hintergrund) an
©Boaz Rottem/Alamy Stock Foto

Chemie Süße Fälschung

Der aus Neuseeland stammende Manuka-­Honig hemmt Entzündungen und ist deshalb teuer. Für Lebensmittelbetrüger ist das ein lukratives Geschäft. Doch bestimmte ­Proteine helfen, die Täuscher zu entlarven

von Dr. Jana Raupbach

Konzentriert schaue ich auf den Bildschirm. Eine gerade Linie läuft durchs Bild, das Signal eines Chroma­tografie­systems. Die Vor­bereitung der Probe hat ganze fünf Tage gedauert. Mehrfach musste die Substanz in Wasser gereinigt, getrocknet und wieder in Wasser gelöst werden. Dann passiert es: Das Signal steigt an und verweist auf ganz spezielle Proteine, die es nur in einem besonderen Honig aus Neuseeland gibt. Dieser Manuka-Honig ist also ziemlich sicher nicht gefälscht.

Lebensmittelbetrüger verursachen jährlich einen großen wirtschaftlichen Schaden. Gefährliche Zu­sätze wie Frost­schutz­mittel in Weinen werden dank funktionierender Kontrollen in Europa meist zügig aufgedeckt. Rein wirtschaftliche Lebens­mittel­kriminalität, wie zum Beispiel der Zusatz von günstigem Rapsöl zu hoch­wertigem Oliven­öl, bleibt jedoch häufig unentdeckt. Helmut Tschiersky, Präsident des Bundes­amtes für Verbraucher­schutz und Lebens­­mittel­sicher­heit, schätzt, dass Betrüger weltweit Gewinne ein­streichen, die denen aus dem Drogen­geschäft oder dem Menschen­handel entsprechen.

Zu den Lebensmitteln mit besonders hohem Betrugs­potenzial gehört der neuseeländische Manuka-Honig. Er stammt von Bienen, die den Manuka-Baum (das Myrten­gewächs Leptospermum scoparium) anfliegen. Der Geschmack des Honigs ist gewöhnungs­bedürftig und erinnert an Husten­saft. Die Ureinwohner Neuseelands verwenden ihn, um Erkältungen zu lindern und Wunden zu behandeln.

Auch wenn Fälscher dem Manuka-Honig die ent­zündungshemmende Substanz künstlich zusetzen, kann Jana Raupbach das erkennen. In der Zukunft könnte dies sogar per Schnelltest funktionieren
©Ingo Knopf
Auch wenn Fälscher dem Manuka-Honig die ent­zündungshemmende Substanz künstlich zusetzen, kann Jana Raupbach das erkennen. In der Zukunft könnte dies sogar per Schnelltest funktionieren

Die Ursache der besonderen, keimtötenden Wirkung des Honigs war lange Zeit unbekannt. Thomas Henle vom Institut für Lebens­mittel­chemie an der Tech­nische Universität Dresden hatte 2008 eher zufällig hohe Gehalte von Methylglyoxal (MGO) entdeckt. MGO ist eine sehr reaktive, anti­bakteriell wirkende Verbindung und kommt normaler­weise in Lebens­­mitteln nur in Spuren vor. Die Gehalte im Manuka-­Honig sind jedoch um den Faktor 100 höher als in anderen Honigen.

Für Neuseeland war die Entdeckung der antibakteriellen Wirkung von MGO ein echter „Game­changer“. Mit dem Ruhm stieg auch der Preis: Ein 250-Gramm-Glas des „flüssigen Goldes“ kostet bis zu 60 Euro. Verbraucher, die so viel Geld für ein Glas Honig ausgeben, möchten natürlich sicher sein, dass sie ein authen­­tisches Produkt bekommen. Authentisch heißt: Der Honig muss aus Neuseeland stammen und aus dem Nektar der Manuka-Pflanze gewonnen worden sein. Die wert­steigernde Komponente ist – wegen seiner anti­bakteriellen Wirkung – das MGO.

Der Manuka-Honig erfreut sich großer Beliebtheit. Experten schätzen, dass jährlich höchstens 2000 Tonnen Manuka-Honig produziert werden. Berichten zufolge liegt die weltweite Verkaufs­menge aller­dings bei über 10.000 Tonnen. Nicht alles was glänzt, ist Gold – oder in diesem Fall Manuka-Honig.

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Die Fälschungen sind also ein recht lukratives Geschäft. Da MGO leicht und preiswert herzu­stellen ist, liegt zudem der Verdacht nahe, dass Honig­produzenten einen minder­wertigen Honig mit synthetischem MGO „aufwerten“ könnten. Unser Ziel war daher, den echten vom falschen Manuka-Honig zu unterscheiden.

Die einfache Messung des MGO-Gehaltes reicht dafür nicht aus, weil sich natürliches und künstliches MGO nicht ohne Weiteres unter­scheiden lassen. Unsere Ausgangs­hypothese lautete daher: Wenn Manuka-­Honig von Natur aus MGO beinhaltet und andere Honige nicht, müssten im Lauf der Honig­reifung MGO-spezifische Reaktions­produkte entstehen, die ausschließlich im Manuka-Honig vorkommen können.

Um dies zu überprüfen, zerlegten wir Manuka-Honig und konventionelle Honige auf chemischem Wege in ihre Einzel­bestand­teile. Zucker und Wasser machen 97 Prozent der Honig­masse aus. Spannend sind die verbleibenden drei Prozent. Diese enthalten Proteine sowie zahlreiche andere Pflanzen­inhalts­stoffe, die – wie ein Finger­abdruck – für jeden Honig individuell zusammen­gesetzt sind.

Bei den Proteinen handelt es sich um verhältnis­­mäßig große Moleküle, die aus sich wiederholenden Grund­bau­steinen bestehen: den Aminosäuren. Im Rahmen verschiedener chemischer Reaktionen, an denen beispiels­weise MGO beteiligt ist, können einzelne Protein­strukturen miteinander reagieren und sich vernetzen. Dabei entstehen noch größere Moleküle. In Lebens­mitteln beeinflussen diese hoch molekularen, bräunlichen Verbindungen häufig die Farbe des Produktes.

Für uns waren diese vor allem interessant, da sie auf das Vorhandensein von MGO und eine daraus ab­geleitete Protein­vernetzung hinweisen. Um das Vorkommen von vernetzten Proteinen zu untersuchen, nutzten wir jenes chromato­grafische Verfahren, eine Trenn­methode, mit der man große und kleine Moleküle von­einander unter­scheiden kann. Dabei zeigte sich, dass im Manuka-Honig deutlich größere Makro­moleküle vorkommen als in konventionellen Honigen. Im Manuka-Honig laufen also andere chemische Reaktionen ab als in Honigen ohne natürliches MGO. Für Fälscher bedeutet dies: Wer einem billigen Honig nur MGO hinzu­fügt, könnte dennoch über­führt werden.

Doch was ist, wenn die Fälscher sich auch diesen typischen Protein­cocktail besorgen? Dazu muss man wissen, wie diese chemische Signatur des MGO im Manuka-Honig entsteht. So konnten wir nach­­weisen, dass einzelne Aminosäuren mit MGO reagieren und dabei spezifische Reaktions­produkte entstehen. Die Reaktion läuft sowohl mit frei vorkommenden ­Aminosäuren im Honig ab, wie wir beispiels­weise für die Amino­säure Prolin zeigen konnten, als auch mit Aminosäuren, die in der Protein­struktur gebunden sind. Am Ende entstehen dabei so viele neue Reaktions­produkte, deren künstliche Herstellung so aufwendig und teuer wäre, dass sich die Fälschung nicht mehr lohnt.

Doch entstehen diese Reaktions­produkte nicht auch, wenn man MGO künstlich zusetzt? Tatsächlich findet sich diese einzig­artige Mischung auch in Honigen, denen wir künstliches MGO zugesetzt hatten – ­allerdings lange nicht in dem Maße wie im echten Manuka-Honig. Das sind schlechte Nachrichten für Fälscher.

Übrigens haben diese sekundären Protein­netz­werke im Manuka-Honig eine besondere Eigen­schaft: Sie fluoreszieren. Und damit könnten sie in Zukunft sogar einen Schnell­test möglich machen, der sich ohne aufwendige Labor­aus­stattung vor Ort einsetzen ließe. Weil diese Protein­netz­werke in konventionellen, aber auch in gefälschten Honigen in viel geringeren Mengen vorkommen, leuchtet ein echter Manuka-Honig viel stärker als ein konventioneller – und auch mehr als einer, dem künstliches MGO hinzugefügt wurde. Doch bis es in der Praxis bewährte Prüf­verfahren gibt, geht der Schwindel wohl weiter. Die oben ­genannten Zahlen des neuseeländischen Ministeriums lassen vermuten, dass nur jedes fünfte bis sechste Glas echten Manuka-Honig enthält. Dem Ver­braucher bleibt vorerst nur, auf offizielle Zertifikate der neusee­ländischen Regierung zu achten. Im Internet finden sich überdies Listen mit den Namen zuverlässiger Hersteller.

„Jedes Lebensmittel kann gefälscht sein“

Ein Gespräch mit Helmut Tschiersky, Präsident des Bundes­amtes für Verbraucher­schutz und Lebens­mittel­sicherheit

Welcher Fall von Lebensmittel­fälschung ist Ihnen besonders gut in Erinnerung?
Der bekannteste Fall aus den letzten Jahren dürfte der „Pferde­fleisch­skandal“ gewesen sein, bei dem als Rind­fleisch deklarierte Produkte Pferde­fleisch enthielten. Der Fall betraf mehrere europäische Staaten und führte letzt­endlich auch zu einer Über­arbeitung der in der EU für Lebens­mittel geltenden Kontroll­­vorschriften.

Welche Gefahren gehen von ­solchen Fälschungen aus?
Sie können ein gesundheitliches Risiko darstellen, zum Beispiel wenn ein Produkt unter unhygienischen Bedingungen hergestellt oder mit gesundheits­schädlichen Stoffen oder Allergenen verfälscht wird. Betrogen werden kann jedoch auch einfach durch falsche Herkunfts­angaben oder Qualitäts­grade, die das Produkt höher­wertiger erscheinen lassen. In diesem Fall besteht eher die Gefahr eines wirtschaftlichen Schadens.

Wie wahrscheinlich ist es, dass ich im Supermarkt ein gefälschtes Lebens­mittel kaufe?
Jedes Lebensmittel kann gefälscht sein. Wie hoch der Anteil gefälschter Lebens­mittel im Handel ist, ist nicht bekannt. Das Risiko für­Verfälschungen steigt mit deren Ver­arbeitungs­grad und der Komplexität der Lieferkette. Der Verbraucher hat kaum eine Chance, gut gefälschte Lebens­mittel zu erkennen.

Wie kommen Sie den Fälschern auf die Spur?
Wichtig ist die enge Vernetzung von Behörden der Lebens­mittel­über­wachung, der Straf­verfolgung, der Zoll­verwaltung und spezialisierter Forschungs­einrichtungen. Das Nationale Referenz­zentrum für authentische Lebens­mittel zum Beispiel koordiniert die Erforschung von Analyse­methoden. Inter­national beteiligt sich Deutschland an den OPSON-Operationen, die das Ziel haben, Lebens­mittel­fälschungen welt­weit aufzudecken.

Von Joachim Schüring

Helmut Tschiersky, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
©Claudius Pflug/BVL
Helmut Tschiersky, Präsident des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
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