Leuchtsterne
©Adobe Stock

Physik Daten speichern mit Licht

Ein neues Verfahren ermöglicht es, Informationen auf Folie zu schreiben und auch wieder zu löschen – und dies allein mit Licht!

von Dr. Max Gmelch

Vielleicht sind sie Ihnen auf Briefumschlägen auch schon aufgefallen: die orange­farbenen Streifen, alle gut fünf Milli­meter hoch. Sie werden in Brief­zentren auf­gedruckt und enthalten Informationen, die die Sortierung und den Versand erleichtern. Im Tages­licht ist der Code auf dem weißen Umschlag nur schlecht erkennbar. Bestrahlt man den Umschlag aber mit ultra­violettem Licht, leuchtet er hell auf und kann blitz­schnell maschinell ausgelesen werden. Das ist ein all­tägliches Beispiel für photonische Daten­speicherung, also die Bereit­stellung von Informationen durch Wechsel­wirkung von Licht mit bestimmten Materialien.

In diesem Fall entsteht das Leuchten durch Fluoreszenz, einen Effekt, der auch die weißen T-Shirts im Schwarzlicht der Disco erstrahlen lässt. Typisch: Endet die Bestrahlung mit Licht, so wird auch das angeleuchtete Objekt sofort dunkel. Anders verhält es sich mit der Phosphoreszenz – jenem Effekt, der nachts im Kinder­zimmer die grünen Sterne schimmern lässt. Phosphoreszenz beschreibt die Fähigkeit eines Materials, Energie zu speichern. Es leuchtet also über die Zeit der Bestrahlung hinaus.

Vereinfacht lässt sich sagen, dass in phosphoreszierenden Materialien Elektronen infolge der Bestrahlung mit Licht­energie von ihren angestammten Plätzen auf eine energetisch höhere Position gehoben werden. Das ist vergleich­bar mit einem Kind, das im Kinder­zimmer sitzt und aus einem Behälter Murmeln fischt, die es auf die Rampe einer Kugel­bahn legt. Die angehobenen Elektronen fallen nun wie die Kugeln zurück, hinunter in ihre Ausgangs­lage. Dabei geben sie Energie ab, die wir als Licht sehen können. Meist passiert dies sehr schnell, es entsteht die flüchtige Fluoreszenz. In manchen Materialien können sich die Elektronen aber auch infolge quanten­mechanischer Effekte „verkanten“ und für einige Zeit oben auf der Kugel­bahn liegen bleiben. Sie fallen verzögert in ihre Niveaus niedrigerer Energie zurück – so sehen wir die frei­werdende Energie als Phosphoreszenz.

Im Photolumineszenzlabor entdeckte das Team um Max Gmelch, wie sich die Phosphoreszenz einer Folie gezielt steuern lässt.
©Ingo Knopf
Im Photolumineszenzlabor entdeckte das Team um Max Gmelch, wie sich die Phosphoreszenz einer Folie gezielt steuern lässt. So kann sie mit Licht beschriftet und wieder gelöscht werden

Bei den phosphoreszierenden Materialien handelt es sich üblicherweise um kristalline Pulver, denen Seltene Erden zugesetzt werden. Dies hat zwei große Nach­teile. Erstens ist die Gewinnung von Seltenen Erden mit großen Umwelt­belastungen verbunden. Zweitens lassen sich die pulver­förmigen Stoffe nur schlecht weiter­verarbeiten. Um die Nutzung der Phosphoreszenz umwelt­freundlicher zu machen und auf weitere Anwendungs­gebiete aus­zu­weiten, werden seit einigen Jahren neue Materialien entwickelt. Diese basieren meist auf Kohlen­stoff und Wasser­stoff, den Grund­bau­steinen auch von allem Leben auf der Erde.

Unsere Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Phosphoreszenz dieser neuartigen Stoffe. Im Gegen­satz zum handels­üblichen Pulver lässt sich unser Material als durch­sichtige Folie herstellen. Dabei tritt aller­dings ein neues Problem auf: Sauer­stoff­moleküle der Umgebungs­luft sorgen dafür, dass die Folie nicht leuchten kann. Wie das? Um den Grund dafür zu erklären, greifen wir auf die Analogie des Spiels mit der Kugel­bahn zurück. Stellen wir uns vor, dass nun weitere Kinder zu Besuch sind, und alle möchten gerne eine Murmel mit nach Hause nehmen. Doch statt welche aus dem Behälter unten zu nehmen, schnappen sie die Kugeln weg, die bereits oben auf der Start­rampe liegen. Wenn dort aber alle Kugeln weg­genommen werden, können natürlich auch keine wieder nach unten fallen.

Gleiches gilt für die Elektronen im phosphoreszierenden Material. Die diebischen Kinder sind hierbei Sauer­stoff­moleküle aus der Umgebungs­luft, die blitz­schnell die Energie der Elektronen stibitzen. Dadurch bleibt keine Energie für die Phosphoreszenz übrig, und unser Material bleibt dunkel. Um das zu verhindern, muss der Sauer­stoff­zutritt verhindert werden. Im Prinzip müsste das ganz einfach gehen: Wir machen die Tür zu. Dadurch bleiben die fremden Kinder draußen, und unsere Murmeln, also die Elektronen, können wieder runter­fallen und Energie abgeben.

Wir gingen also ins Labor und versahen unsere Folie mit einer Sauer­stoff­barriere – in der Hoffnung, auf diese Weise das Leuchten zu ermöglichen. Doch als wir die Probe mit ultra­violettem Licht bestrahlten, sahen wir: nichts. Kein Leuchten, keine Phosphoreszenz, unser Material blieb vollständig dunkel.

Enttäuscht stoppten wir die Messung und speicherten die Daten. Doch als wir gerade die Bestrahlung abschalten wollten, sahen wir ein grünes Licht aufblitzen: Phosphoreszenz. Nun also doch? Dafür hatten wir zunächst keine Erklärung – und gingen in die Mensa. Eine Stunde später wiederholten wir das Ganze, beleuchteten unsere Probe und sahen zunächst wieder: nichts. Doch nach ein paar Sekunden Bestrahlung phosphoreszierte die Probe erneut.

Es sollte uns einige Monate kosten, die physikalischen Vorgänge dahinter voll­ständig zu verstehen. Doch dann war das Bild klar. Wir hatten beim Aufbringen der Sauer­stoff­barriere, also beim Schließen der Kinder­zimmer­tür, etwas vergessen. Und zwar die Kinder, die schon im Raum waren. Auch innerhalb unserer Folie befand sich nämlich noch eine gewisse Menge Sauer­stoff, die den Elektronen die Energie stehlen konnte. Das war der Grund, warum zunächst keine Phosphoreszenz auftrat.

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Warum dann aber letztlich doch? Nun, wenn jedes anwesende Kind sich eine Murmel genommen hat, ist es zufrieden und will keine weitere. Genauso bei uns im Labor: Die in der Folie vorhandenen Sauer­stoff­moleküle werden durch die „geklaute“ Energie besonders reaktions­freudig und binden sich nun fest in die chemische Struktur der Folie. In diesem Zustand können sie den Elektronen keine weitere Energie mehr abnehmen. Wenn man also nur lange genug beleuchtet, ist der Rest­sauerstoff chemisch gebunden, die Energie kann nun voll in Phosphoreszenz aufgehen.

Und noch etwas fanden wir heraus. Die Sauer­stoff­barriere ist nicht voll­kommen dicht. Vereinzelt können neue Sauer­stoff­moleküle in die Folie eindringen und die Phosphoreszenz löschen. Wir konnten diesen Prozess durch Erhitzen des Materials gezielt verstärken. Die Phosphoreszenz einer transparenten Folie lässt sich also mithilfe von Sauerstoff und Licht gezielt mehrfach berührungs­los aktivieren und deaktivieren. Das ist bemerkens­wert und hat vor uns noch keiner geschafft.

Unser Verfahren kann in Zukunft von großer praktischer Bedeutung sein. Anders als jene Zielcodes auf den Brief­umschlägen, die ja durch das Aufdrucken eindeutig festgelegt sind, lässt sich das Leuchten unserer Folie flexibel steuern. Es lassen sich belie­bige leuchtende Codes hinein­schreiben – und bei Bedarf ändern oder vollständig löschen. Unsere programmier­baren leuchtenden Etiketten – „programmable luminescent tags“ – eröffnen somit ganz neue Möglich­keiten der photonischen Daten­speicherung.

Als einen ersten Prototypen haben wir das Etikett eines Kunst­stoff­behälters mit nichts weiter als Licht mehrfach beschrieben und wieder gelöscht. Denkbar wären dadurch neuartige Verpackungen für die Lebens­mittel­­industrie oder die Logistik, die kontakt­los mehrfach neu etikettiert werden könnten. Darüber hinaus könnte der von uns entdeckte Effekt auch in der Sensorik oder in der Dokumenten­sicherheit zum Einsatz kommen.

Kaltes Licht

Quallen, Algen und Diamanten eint das Phänomen der Lumineszenz

Schon Plinius der Ältere staunte über das geheimnisvolle Leuchten der Lumineszenz. Der römische Natur­forscher lebte im ersten Jahr­hundert n. Chr. und beschrieb in seiner „Naturalis historia“, wie er beim Spazier­gang am Strand eine Qualle entdeckte: „Der mit dem Pulmo marinus eingeriebene Spazier­stock erleuchtete den Weg wie eine Fackel.“ Das mit der Fackel war über­trieben, beeindruckt war Plinius aber zu Recht.

Die sogenannte Biolumineszenz lässt nicht nur Glüh­würmchen glühen, sondern auch Pilze auf totem Holz. Weit verbreitet ist sie bei einzelligen Meeres­organismen. Im Ersten Weltkrieg, so geht die Geschichte, konnten die Engländer ein deutsches U-Boot nur deshalb orten und versenken, weil es in eine Wolke leuchtenden Planktons geraten war.

Auch in der unbelebten Natur tritt Lumineszenz auf. So borgte sich der britische Natur­forscher Robert Boyle im Jahr 1663 einen kleinen Diamanten, „nahm ihn mit ins Bett und drückte ihn eine Weile an meinen nackten Körper“. Und siehe da: Der Stein leuchtete im Dunkeln. Boyle entdeckte damit die durch Wärme ausgelöste Thermolumineszenz von Diamanten.

Er experimentierte weiter und stellte fest, „dass der Stein, wenn ich ihn eine Weile in der Nähe der Flamme einer Kerze hielt und sofort in die Dunkelheit entfernt wurde, ein schwaches Schimmern enthüllte“. Damit hatte er die phosphoreszierenden Eigenschaften des Edel­steins bewiesen. Auch dessen Piezolumineszenz enthüllte er, und zwar indem er ihn mit dem Finger fest drückte: Der Stein „enthüllte in dem Moment, in dem ich ihn zügig losließ, eine sehr lebendige, aber überaus kurze Pracht“. — JS

Sie verwenden einen veralteten Browser oder haben Javascript in Ihrem Browser deaktiviert.
Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser oder aktivieren Sie Javascript.
x